Sonntag, 7. September 2008

Tanana's Vorräte

A
Die ersten Wochen in den USA waren ein großes Abenteuer. Der Dogkennel stand zwar, aber noch war nichts wirklich fertig. Wir hatten unserer Quartier auf dem Dachboden des Hundehauses bezogen. Zwei Feldbetten, Schlafsäcke, ein Yukon-Ofen, und die Basis-Camping-Kochausrüstung. Kein Wasser und Strom über ein Kabel von der Nachbarin, das reichte für eine Lampe und die Kaffeemaschine. Ein Toaster wäre auch schön gewesen, doch der Neuerwerb wurde durch das ca. 100 m lange Verlängerungskabel sofort getötet.

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Für die Hunde war es genauso ungewohnt, die Zeitumstellung, andere und neue Rituale, der Tagesablauf gewöhnungsbedürftig.
Wir mussten natürlich erst mal herausfinden, wo man gutes Futter für die Bande auftreibt. Das Trockenfutter war schnell gefunden, aber das Fleisch!!! Missouri ist ein Rinderstaat, da sollte es eigentlich kein Problem sein, doch weit gefehlt. Große Schlachtereien haben ihren Sitz in den Metropolen, hier in der Pampa gibt es "Custom-Butcher", da bringt der Farmer sein Vieh hin und der Metzger schlachtet es in dessen Auftrag. Ist das erledigt, holt der Farmer alles ab und verbraucht es entweder oder verkauft es selbst ... und die verwerten wirklich alles. Nicht zu glauben, selbst Pansen gab es nicht.
Das machte uns ratlos ... nie wäre uns der Gedanke gekommen, das die Fleischbeschaffung in den USA, wo man Steaks von der Größe einer Maxi-Bratpfanne kaufen konnte, so schwierig ist.
Das was dennoch übrig blieb, wurde von einem Typen, der eine Horde Löwen irgendwo im Wald hielt, abgeholt. Egal wo wir fragten, der Mensch hatte sich das Zeugs schon gesichert. Entweder hat er da ein Großrudel oder der dealt damit ... so genau will ich das gar nicht wissen. Reicht schon, das der mit seinen Kätzchen irgendwo im Busch beim nächsten Ort lebt.
Ich hoffe mal, der weiß wie man gescheite Zäune baut.
Einer der meistgehörten Ratschläge war: kauft Euch ein paar Kälber, die keiner haben will, zieht sie groß und .... macht sie dann zu Wurst.
Ne danke, da hege und pflege ich dann Erna, Bertha und Johanna und nach zwei Jahren habe ich Ernas Hüftfleisch auf dem Teller und die Hunde Berthas Magen im Napf.
Das geht gar nicht.

Oliver, der gerne mal jagen geht, überlegte schon wie viele Deer (Rotwild) er wohl zusammen bringen muss, um den Fleischvorrat für den Winter zu sichern.
Ich sah mich im Geiste, kiloweise Innereien verarbeiten und weil es ja so gut ins Wild-West-Image passt, anschließend fellgerbend auf der Veranda sitzend.

Also, gab es in den ersten Wochen in der Hauptsache Trockenfutter. Da es gute Hunde sind, fressen sie immer alles, gewohnt waren sie es aber nicht. In Deutschland wurde eine Mischkost aus rohen bzw. gekochten Fleisch, Gemüse, Kartoffeln oder Nudeln zum Trockenfutter serviert. Hüttenkäse und andere Milchprodukte wie Quark und Co. standen ebenfalls regelmäßig auf dem Speiseplan.
Fleisch war also erstmal nicht zu besorgen, aber das andere sollte doch ein Kinderspiel sein.
Selbst in unser Kleinstadt, war der Supermarkt so groß ist wie in Deutschland ein ganzes Einkaufszentrum, mit ellenlangen Gängen und einem Kühlbereich wo man auch im Sommer am besten nur mit Winterbekleidung reingehen sollte, wenn man sich beim Aussuchen des Joghurts keinen Schnupfen holen will.

Die Gemüsetheke sieht aus wie eine kleine Tropenlandschaft, alles nett dekoriert mit wirklich vielen leckeren Sachen, doch das war nur als optische Ablenkung gedacht, damit der Kunde keinen Infarkt bekommt, wenn er sich die Preise für Kartoffeln oder Möhren ansieht.
Da lagen sie, die Knollen, frisch wie gerade geerntet, lichtmässig perfekt angestrahlt, das Preisschildchen unten dem rasenähnlichen aussehenden Tischtuch kaum sichtbar: das Kilo umgerechnet 1,50 Euro.
Die Möhren ... auszeichnungswürdig platziert, das Kilo ca. 1 Euro.
Zum Vergleich, in Deutschland kosten Kartoffeln so um die 46 Cent das Kilo und Möhren um die 40, wenn man die preiswerten Quellen kennt.

Da staunt der USA-Rookie nicht schlecht. Missouri ist ein eher landwirtschaftlich geprägter Staat doch die frischen Produkte hatten Preise, die mich an Einkäufe in Bahnhofsläden von Old Germany erinnerten. Wenn es Sonntags dann unbedingt eine frische Ananas sein musste oder Luxus-Orangen.

Ging man dann in die Abteilung der schon vorproduzierten Nahrungsmittel, in diese unendlich langen Reihen der Fertig -Pizza, -Käsenudeln und Mikrowellengerichte, - Walmart bietet kostenlos fahrbare Rollstühle für diejenigen an, die nicht mehr so gut zu Fuß sind und ich habe mir mehr als einmal so ein Gefährt gewünscht oder meine Wanderschuhe - findet man eine unglaubliche Auswahl verschiedener Firmen, die alle das gleiche anbieten. Fertiges Essen, das in fünf Minuten in der Mikrowelle herzurichten ist. Der Preis reicht von 50 Cent bis zu 1,99 Euro.

Ganz klar, Kochprofis sind die Amies nicht und selber machen liegt nicht im Trend. Aber das ist ja nix Neues. Nur erstaunlich wenn man die Ausmaße live sehen kann.

Der Abstecher in die auf winterliche Temperaturen abgekühlte Abteilung des Supermarktes löste doch Überraschung aus. Amerikaner haben keinen Quark und keine Hüttenkäse. Nix, noch nicht mal eine Fastfoodvariante.

Ernüchtert wurden auch die anderen Ingredienzen vom Futterplan gestrichen. Also nächstes Jahr Garten anlegen und ne Quarkmaschine kaufen.

Aber kommen wir mal wieder zur eigentlichen Geschichte zurück.
Für uns Menschen gibt es in der größeren Stadt einen Aldi. Ja, die Gebrüder haben den Wilden Westen erobert. Dort kann man einige deutsche Produkte kaufen, mit denen wir uns bei jedem Besuch reichlich eindeckten.

Da wir ja keine Küche hatten und demzufolge auch keine Küchenschränke, lagerte ich unsere Vorräte in Kartons, diese auf den Boden in einen von Oliver eingebauten Regal.
Unsere Haushunde lebten natürlich mit uns auf unserem "Trapper-Dachboden".
Die vielen Kisten waren eine spannende Sache. Ein Karton mit frischen Lebensmittel, einer mit Konserven. Alles was normalerweise für Hundenase unzugänglich in Schränken steht, lag jetzt wie auf einen Präsentierteller für unser vierbeinigen Hausgenossen.

Doch sie waren brav, nichts wurde angerührt, die Kartoffeln nicht angeknabbert ... richtig gut, die Horde.

Im Aldi mit viel Freude erstanden, zwei deutsche Fischkonserven. Einmal die klassische Variante mit Tomatensoße, einmal die mit Senf und Kräuter.
Die lagen zwischen den anderen Konserven wie Bohnen, Mais, Erbsen und das was man so alles so kauft wenn man nicht "a la cuisine" kochen kann.
Eines Tages, es war so in den frühen Morgenstunden, noch nicht wach, öffnete ich die Tür und ließ alles raus was sich bewegte und pinkeln musste. Normalerweise ist das nur Ice und ihr Volk, alles andere bewegt sich keinesfalls vor 7.00 Uhr, an dem Tag aber lief mit zügigen Schritten meine Tanana an mir vorbei.
Sie hatte was im Maul, doch ohne Kaffee im Bauch mit halbgeschlossenen Augen, war meine Reaktion nur die der Wahrnehmung, die Handlungsfähigkeit war noch nicht eingeschaltet.

Im Laufe des Morgens sah ich sie immer nur kurz, die Hunde liegen viel unter dem Haus, das im hinteren Bereich auf Betonpfeilern steht und so eine schöne kühle Rückzugmöglichkeit bietet.
Die Sache morgens hatte ich schon längst vergessen.
So gegen Mittags sah ich sie vom weitem ... sie schleppte was durch die Gegend, buddelte kurz ein Loch, ließ was rein und sich drauf fallen.
Okay, dann gehen wir mal gucken. Sie sah mich kommen, der Kopf ruckt kurz unter ihren Körper und im Maul hatte sie die Fischdose, die mit der Senfsauce.
Ich grinste, das wäre auch mein Favorit gewesen. Schon erstaunlich aus all dem vegetarischem Dosenzeugs hatte sie sich das für sie einzig genießbare rausgesucht. Ob sie den Fisch vorne drauf erkannt hat???
Ich ließ sie ihr, Alaska schleppt immer ein Stofftier durch die Gegend. Tejar alte Knochen, Raven Holz .. na dann eben Tanana mit einer Fischkonserve. Was soll's.
Die Tage vergingen, der Fisch wurde Tananas ständiger Begleiter, morgens raus in den Auslauf, er musste mit, der Fisch, dann wurde er sorgsam vergraben und den ganzen Tag ausgebrütet, wo man drauf liegt kann einem nicht weggenommen werden.
Abends nach der letzten Pinkelrunde, ging Fisch mit in die Schlafhöhle. Wir gewöhnten uns dran, die anderen Hunde auch. Sie versuchte nie es aufzubekommen, er wurde vorsichtig behandelt, manchmal etwas abgeleckt.
Ich vermutete das war ihr Vorrat, ihr essbarer Kumpel in den harten Zeiten der etwas einseitigen Ernährung. Die imaginäre Vorstellung von dem wie es einmal war, als es jeden Tag noch was anderes gab.
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Fleisch war immer noch nicht in Sicht, es gab Joghurt dazu und ab und an teuer erstandenes Rinderhack.

An einem sonnigen Tag, die Haushundehorde war im Auslauf, ich saß auf der Terrasse und kühlte meine Füße im Hundepool ... da kroch sie unters Haus, ich höre sie buddeln und kam mit Fisch heraus.
Legte sich neben mich und die Dose vor sich. Lecke den Rand und da passierte es, ein schneller Biss und Fisch hatte ein Loch ... die Soße quoll heraus, wurde genießerisch verputzt. Ein bisschen mit der Pfote auf das Oberteil drücken und es kam wieder was raus. Wie ein Profi und es war ihre erste Konserve.
Als die Soße vernichtet war, wurde das Loch erweitert und nein, sie war sehr geschickt und verletzte sich nicht dabei, leerte sie, restlos, mit Freude und Genuß.
Die anderen Hunde sahen ihr erstaunt zu, für sie was es nur ein Teil gewesen, langweilig, uninteressant, niemand hätte es ihr wegnehmen wollen und jetzt roch es lecker. Zu spät ... alles weg und Tanana sichtlich glücklich.
Fischdose wurde blitzeblank sauber gemacht und dann durfte ich die Reste wegräumen.

Sie war schon immer etwas besonders, steht selten Mittelpunkt, zieht sich eher zurück und lässt anderen den Vortritt.
Dieses kleine Gourmetmahlzeit habe ich ihr von Herzen gegönnt .... obwohl mir der Anblick wie sie ihren Futtervorrat durch die Gegend schleppt sicher fehlen wird.

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Mittlerweile hat sich die Fleischsituation gebessert, Oliver hat einen Butcher gefunden, den Löwenmann noch nicht angefahren hat und wir haben uns pro Woche 60 kg Fleisch sichern können, zudem noch Herz, Lunge, Pansen, Kopfhaut .... und eine Menge fleischige Knochen.
Die Hundewelt ist wieder in Ordnung ... Tanana's auch, allerdings hat sie sich zur Sicherheit die zweite Fischdose auch noch an Land gezogen, die mit der Tomatensoße. Man weiß ja nicht, wann man es gebrauchen kann ... eingebuddelt wurde es irgendwo unter dem Haus ... für schlechte Zeiten.

Nicole

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